Glücksspielrechtstag: Recht und Realität zusammenführen

Glücksspielrecht ist eine verworrene, zum Teil widersprüchliche Materie. Wie man diese Materie wieder besser an die Realität anpassen kann, war eines der zentralen Themen des 9. Deutschen Glücksspielrechtstags am 15. September 2023 in Frankfurt. Der Glücksspielrechtstag ist eine Veranstaltungsreihe der dfv Mediengruppe in Kooperation mit der Kanzlei Benesch & Partner.

„Eskalation der Rechtsprechung“

Wohin eine Regulierung führt, die Behörden in ihrer täglichen Arbeit nicht mehr umsetzen können, erläuterte RA Marcus Röll (Benesch & Partner) anhand der Rechtsprechungspraxis zum Thema Spielhallen in Baden-Württemberg. Hintergrund ist hier, dass der Verfassungsgerichtshof des Landes mit Urteil vom 2. März 2023 die bisherige behördliche und gerichtliche Praxis der Auswahlentscheidung zwischen konkurrierenden Spielhallen als verfassungsrechtlich unzulässig gekippt hatte. Dem vorausgegangen war eine „Eskalation der Rechtsprechung“ und eine Zeit enormer Unsicherheiten für Automatenunternehmer, die sich zum „Spielball von Behörden“ degradiert sahen. Für die Zukunft plädiert Röll für eine Rückkehr zu „mehr Sachlichkeit“ und eine Orientierung an „evidenzbasierten Fakten“ statt an „Gefühlen“. Und auch im Sprachlichen müsse wieder deeskaliert werden, so Röll.

„Fungames: Glücksspiel auf Steroiden“

Dass Realität und Gesetz zum Teil stark auseinanderdriften, war auch Thema des Vortrags von Prof. Michael Kubiciel (Direktor des Instituts für die gesamte Strafrechtswissenschaft, Universität Augsburg) auf dem Glücksspielrechtstag. Kubiciel referierte zum aktuellen Reizthema der illegalen Fungames, über die er im Auftrag des Bayerischen Automaten-Verbands (BAV) und des Fachverbands Gastronomie-Aufstellunternehmer (FGA) kürzlich ein Gutachten angefertigt hat. Darin kommt der Rechtswissenschaftler zu dem Schluss, dass § 284 StGB, der die unerlaubte Veranstaltung von Glücksspiel unter Strafe stellt, „der Qualität und Quantität des Fungames-Problem nicht gerecht wird“. Anknüpfungspunkt für § 284 StGB seien Glücksspielarten mit Gewinnmöglichkeiten. Fungames-Automaten hätten hingegen „keine Auszahlvorrichtungen“ – beziehungsweise könnten diese gut verschleiern: „Spielgäste lassen sich ihre Punktezahl oftmals bar auszahlen.“ Dies erschwere den Nachweis einer Straftat. Um diesem „Glücksspiel auf Steroiden“, das unter anderem aufgrund unlimitierter Einsatz- und Verlustmöglichkeiten eine „erhebliche Gefahr“ für die Spieler darstellt, Einhalt zu gebieten, plädiert Kubiciel für eine Schließung der „regulatorischen Lücken“. Sein Appell: „§ 284 StGB und die Spielverordnung beschränken nicht die Aufstellung solcher Fungames-Automaten. Dies muss geändert werden.“

Das Strafrecht bildete dieses Mal einen besonderen Schwerpunkt des Glücksspielrechtstags. So stand § 284 StGB unter anderem auch im Fokus des Vortrags von Prof. Christoph Krehl (Richter am Bundesgerichtshof, II. Strafsenat, Karlsruhe) mit dem Titel „§ 284 StGB in der Rechtsprechung des BGH“. Ein Blick über den deutschen Tellerrand stand im Zentrum von Vorträgen über den österreichischen und amerikanischen Glücksspielmarkt und das Phänomen der Lootboxen.

Mehr über den 9. Deutschen Glücksspielrechtstag lesen Sie in der Oktober-Ausgabe von games & business. Noch kein Abonnent? Hier geht es zu unserem kostenlosen Probe-Abo.

Foto: Mit knapp 100 Teilnehmern war der 9. Deutsche Glücksspielrechtstag gut besucht.