Manfred Schlösser

Zocken ohne Limit

Wiesbaden 1983. Sicher könnte es auch jede andere vergleichbare Stadt in Deutschland sein. Ich hatte gerade die Chefredaktion von games & business (damals „Münzautomat“) übernommen und schlenderte durch eine der belebten „Gastro-Gassen“ in der hessischen Landeshauptstadt. Weil das nun auch mein Thema war, interessierten mich die Pokermaschinen, die in nicht wenigen Kneipen und Bars so gegen 20 Uhr von hinter der Theke auf die Theke wanderten. Von illegalem Glücksspiel und auch von illegalen Pokerautomaten hatte ich auf meinen ersten Verbandssitzungen gehört. Erstaunt war ich, dass dies so offen praktiziert wurde. Staatliche Kontrolle schien es nicht oder fast nicht zu geben.

Im Lauf der Jahre verschwanden die illegalen Geräte nahezu unbemerkt von der Bildfläche. Das legale Automatenspiel war interessanter geworden und Spielhallen schüttelten ihr Spielhöllen-Image ab. Hell, transparent, mit guter Ausstattung und motiviertem Servicepersonal boten sie eine interessante Alternative zu Verbotenem im hinteren Eck am Tresen. Über viele Jahre entwickelten sich Spielsysteme, Spielstätten und deren Verbreitung sehr gut. Kritiker gab es immer, aber sie hatten wenig Einfluss auf die Entwicklung. Bis, ja, bis auch Spielgeräte legaler Anmutung auftauchten, die aber auch mit illegalem Spiel betrieben werden konnten. Was „Fun“ sein sollte, wurde oft illegales Glücksspiel. Besagte „Fungames“ machten sich breit und brachten die Branche bald in die Schlagzeilen. Politik und Automatenwirtschaft machten diesem Spiel aber in gemeinsamen Anstrengungen mit der Spielverordnung von 2006 ein Ende.

Alles schien so weit im Griff, bis die rechtliche Hoheit über das Automatenspiel vom Bund in die Zuständigkeit der Länder wanderte. In einem Wettbewerb ohnegleichen schufen vor allem Stadtstaaten gesetzliche Rahmenbedingungen, die das legale Spiel in den Ruin trieben. Weil andere Länder in Sachen Spielerschutz nicht hintenanstehen wollten, reduzierte sich die Anzahl der legal aufgestellten und betriebenen Automaten in Deutschland um ein Drittel des Bestands. Eine willkommene Vernichtung des legalen Spiels für die Glücksspiel-Mafia mit ihren illegalen Angeboten in Hinterzimmern, Kellern und Wohnungen. Seit Jahren mahnt die Automatenwirtschaft vor dieser Entwicklung.

Nach der jüngsten Kriminalstatistik haben sich die Delikte des unerlaubten Glücksspiels in 2023 gegenüber 2022 verdreifacht. Geht man zwei oder gar drei Jahre weiter zurück, so haben sich die Vorfälle in manchen Regionen ins 10-fache gesteigert. Und die Politik schaut zu. Sie macht ein paar Razzien mehr, geht aber nicht an die Wurzel des Übels. Und die liegt ganz eindeutig in der Tatsache, dass das legale Spiel vielerorts durch Abstandsregelungen unmöglich gemacht wurde. Aber auch mit einem übertriebenen Regelwerk zum Spielerschutz hat man Unternehmer oft überfordert und Spielgäste nachhaltig verärgert. Mehr und mehr wandert die Nachfrage ins Illegale ab.

Nun habe ich den Bogen von verbreiteter Illegalität Anfang der 80er über eine prosperierende Branche mit anerkannter Qualität und guten Strukturen hin zu erneuter Illegalität mit mafiösen Strukturen selbst erlebt und kenne die Gründe dafür. Politik scheint es nicht zu interessieren. Hauptsache die nahezu arrogante Selbstgewissheit mancher Polit-Kreise kann sich durchsetzen. Was ein Leichtes ist, wenn man immer die gleichen ideologisch motivierten Wissenschaftler zurate zieht. Vielleicht zwingen die Wahlen in diesem und im kommenden Jahr zum Umdenken. Hoffen wir’s.

Manfred Schlösser
Verleger games & business
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