Sportwetten-Urteil: Abstandsgebot verfassungskonform

Das Verwaltungsgericht Hannover (VG) hat die Klage von zwei Sportwetten-Anbieterinnen auf Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle in Hannover abgewiesen (Urteil vom 14. März 2023, Az. 10 A 4968/21). Das berichtet das Gericht in einer Pressemitteilung. Die Klägerinnen hätten die begehrte Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle zurecht nicht erhalten. Der Erlaubniserteilung stehe § 8 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes entgegen. Nach dieser Vorschrift muss der Mindestabstand von Wettvermittlungsstellen zu Kinder- und Jugendeinrichtungen 200 Meter betragen. Diesen Abstand halte die Sportwettvermittlungstelle nicht ein.

„Mit dem Grundgesetz vereinbar“

Entgegen der Klagebegründung hält das Gericht den oben angeführten Paragrafen des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes auch für mit höherrangigem Recht, insbesondere dem Grundgesetz, vereinbar. Zwar greife die Vorschrift in die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs.1 Grundgesetz) ein. Dieser Eingriff sei aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Mit der Regelung verfolge der Gesetzgeber den legitimen Zweck der Suchtprävention, wobei es sich um einen gewichtigen Allgemeinwohlbelang handelt. Die Regelung sei geeignet, diesen Zweck zu fördern.

Das Gericht hält § 8 Abs. 3 Satz des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes auch für europarechtskonform. Zwar greife die Vorschrift in die Grundfreiheiten, namentlich die Dienst- und Niederlassungsfreiheit (Art. 49 und 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union) ein. Dieser Eingriff sei aber europarechtlich gerechtfertigt. An die Rechtfertigung entsprechender Eingriffe stellt der Europäische Gerichtshof besondere Anforderungen. Insbesondere dürfe eine restriktive mitgliedsstaatliche Regelung im Bereich der Glücksspielregulierung nicht gegen den Grundsatz der Kohärenz verstoßen. Dieser Grundsatz besagt, dass der Staat einen bestimmten Glücksspielsektor nicht unter dem Deckmantel der Suchtprävention zu Lasten Privater restriktiv reglementieren darf, um dann unter diesem Deckmantel eine expansive Glücksspielpolitik in diesem Bereich zu betreiben. Außerdem darf die liberale Regulierung eines Sektors nicht dazu führen, dass restriktive Regulierungen anderen Glücksspielsektoren ihre Wirksamkeit verlieren.

„Kohärente Lösung“

Das Gericht vertritt die Auffassung, dass § 8 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes nicht gegen den Grundsatz der Kohärenz verstößt. Es würden staatlicherseits in diesem Bereich keine fiskalischen Interessen verfolgt. Zwar böten auch staatliche Stellen in Niedersachsen Sportwetten an. Das Angebot sei allerdings mit dem Angebot von privaten Wettanbietern sowohl hinsichtlich der Attraktivität als auch hinsichtlich der von diesem Spiel ausgehenden Suchtgefahren nicht vergleichbar, was sich im aktuellen Umsatz privater Sportwettanbieter entsprechend niederschlage. Zum anderen füge sich die Sportwettenregulierung in die Regulierung der übrigen Glücksspielsektoren in Niedersachsen noch konsistent ein. Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zum Oberverwaltungsgericht Lüneburg zugelassen.

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