Entscheidung zur Umsatzsteuer „dünn begründet“

Die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Münster vom 27. Dezember 2021 zur Umsatzbesteuerung von Geldspielgeräten hat in der Glücksspielbranche hohe Wellen geschlagen. Das Gericht hatte in einem Verfahren zum vorläufigen Rechtsschutz festgestellt, dass die Umsatzbesteuerung der klassischen Geldspielgeräte gegen den Neutralitätsgrundsatz verstoßen könnte. Hintergrund ist, dass das virtuelle Automatenspiel, das seit dem 1. Juli 2021 rechtlich zulässig ist, nicht der Umsatzsteuer unterliegt, sondern einer Einsatzsteuer von 5,3 Prozent, die im Rennwett- und Lotteriegesetz verankert ist. Die Umsätze aus den klassischen Spielgeräten dürften möglicherweise nicht der Umsatzsteuer unterliegen, da das virtuelle Spielangebot von der Umsatzsteuer befreit ist. Eines der zentralen Argumente des FG Münster ist, dass der Gesetzgeber virtuelle Geldspielumsätze nicht anders behandeln dürfe als terrestrische Geldspielumsätze. Für einen Durchschnittsverbraucher, dem es auf das Spielerlebnis und den erzielbaren Gewinn ankomme, spiele es keine Rolle, ob er virtuell oder terrestrisch spiele.

Anknüpfend an die vom FG Münster gesäten Zweifel an der Umsatzbesteuerung von Geldspielgeräten veranstalteten die Rechtsanwaltsgesellschaft HLB Schuhmacher und die Unternehmensberatungsgesellschaft von Beust & Coll. am 21. Februar 2022 ein Online-Seminar mit dem Titel „Umsatzsteuer auf terrestrisches Automatenspiel seit dem 1.7.2021 unionsrechtswidrig?“. Als Experte eingeladen war Prof. David Hummel, Referent am Europäischen Gerichtshof und außerplanmäßiger Professor an der Universität Leipzig.

Die Entscheidung des FG Münster habe ihn „überrascht“, gestand Hummel gleich zu Beginn. Er hält den Beschluss für „dünn begründet“. Insbesondere zweifelt Hummel daran, ob sich der Neutralitätsgrundsatz so unmittelbar anwenden lässt, wie es das FG Münster getan hat. Zudem wirft Hummel dem Gericht vor, bei seiner Bestimmung des Verhältnisses zwischen virtuellem und stationärem Automatenspiel nicht die Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Blick gehabt zu haben. Analog zur Unterscheidung des deutschen Gesetzgebers zwischen virtuellem und stationärem Automatenspiel zählte Hummel zahlreiche Beispiele für angeblich identische Produkte auf, bei denen der EuGH eine unterschiedliche Besteuerung nicht beanstandet hat. „Solche Regelungen gibt es dauernd, das hätte sich das Gericht angucken können“, so Hummel.

Wie Hummel ausführte, habe jeder Mitgliedstaat der EU „Spielraum“ bei seinen Steuerregeln. Die entscheidende Frage bei der unterschiedlichen Besteuerung ähnlicher Produkte und Dienstleistungen sei immer, ob diese aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers identisch seien. Laut Hummel sind stationäre und virtuelle Automatenspiele – anders als das FG Münster es annimmt – sehr wohl „etwas anderes“ und könnten demzufolge auch anders besteuert werden. „Solange man sagen kann, es ist nicht identisch, darf der Gesetzgeber differenzieren.“

Moderator RA Dr. Lennart Brüggemann (HLB Schuhmacher) informierte, dass das beklagte Finanzamt Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) eingereicht hat. Laut Hummel könne man zwar nicht in eine Glaskugel schauen, das Hauptverfahren verspreche aber spannend zu werden. Dass der Gesetzgeber die vom FG Münster erhobenen Zweifel an der Gesetzeslage zum Anlass nimmt, seine Besteuerung von virtuellem und stationärem Automatenspiel zu revidieren, glaubt Hummel nicht. Sollte sich der BFH allerdings den Zweifeln des FG Münster anschließen, sähe die Situation anders aus.

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